Slippery when wet.

Kolumnen

Man klammert sich am Konjunktiv fest. Hätte, wäre, könnte. Morgen. Vielleicht. Die Türe stets einen Spalt weit offen. Für die Flucht zurück in die Comfort Zone. In das Bett mit der durchgelegenen Matratze. Wenn die Veränderung zu viel wird, das Leben schneller passiert als die Sojamilch für den Matcha Latte aufgeschäumt ist. Wenn man plötzlich nach A auch B sagen muss, weil das nun mal die Konsequenz ist. Auch wenn man als Generation Y Kiddo in einem Meer aus Optionen schwimmt und das Commitment nur als dunklen Schatten an der Wasseroberfläche wahrnimmt. Weil man Dinge auch einfach mal machen muss. Und aushalten. Wenn es ist, wie es ist. Denn nicht nur Mutti hat (fast) immer recht, sondern auch das Leben im Allgemeinen.

Zugegeben, das erfordert schon etwas Mut. Aber sag, wann haben wir den denn verlernt? Mit 5 Jahren sind wir völlig sorgenfrei auf hauchdünn zugefrorene Seen gekraxelt, uns an Ästen dünn wie Kate Moss´ Ärmchen gehangelt und uns gefühlt wie Jane. Und heute fragen wir uns bloß noch wo Tarzan geblieben ist? Während wir mit Netflix und wifi in unserer Homebase verweilen. Früher war alles besser. Ja ja, been there, done that. Netflix is super. Kennen wir alle. 10 Stunden-Tag, doofes Meeting, Kaffee alle und dann auch noch Regen. Ne. Echt jetzt. Da ist Option 1-10 die Couch.

Und ich verstehe dich. Wenn du dann an der Bar stehst und dir einen Gin Tonic bestellst, der so schal schmeckt wie sich dein Herz anfühlt. Kommt ja nicht von ungefähr. Denkste dir. Hat die Evolution ganz gut eingefädelt. Biochemisch ist Herzschmerz nämlich mit kaltem (!) Heroinentzug zu vergleichen. Braucht man jetzt nicht unbedingt. Logische Konsequenz. Herz zu. Netflix an. Easy. Aber sag, wie lange kannst du in dieser Blase leben? Platzen nicht alle Blasen irgendwann? Die dot-com oder die Immobilienblase oder manchmal halt auch die Seifenblase. Slippery when wet. Wusste schon Jon Bon Jovi. Vorsicht rutschig. Ruft´s noch ehe man der Länge nach auf den zerplatzen Träumen dahin schlittert. Da schürft man sich dann ganz fürchterlich die Knie auf und wenn man nicht aufpasst – und den Kopf immer schön hoch hält, das Kinn gleich noch mit dazu. Aua.

Du, ich kenn das. Aber zurück in die Zukunft ist keine Option. Weder bei Netflix noch in echt.

Wenn du sitzt, bangst und hoffst. Mit wunden Fingern vom zappen und swipen. Und sich die Gedanken in den Spinnweben in deinem Gedankenkarussell verheddern. Wenn du im Sumpf des Konjunktivs zu ersticken drohst, ist es Zeit für Futur II.

Denn aus jedem Kokon wird ein wunderschöner Schmetterling geschlüpft worden sein.

Learning to fly.

 

© Julia

 

Spot.Light.

Prosa

Du zwickst mir mit deinem Daumen und Zeigefinger in die Nase und steigst mit Schuhen auf das dunkle Ledersofa. Immer in die Wunde, sage ich und nicht nur, weil du weisst, dass ich meine Nase zu groß finde. Auch weil du ansonsten sehr großzügig mit dem Salzsteuer umgehst, wenn es um klaffende Wunden geht. Ich hasse das, aber irgendwie machst du das auf eine so charmante Art und Weise, dass ich dir nicht böse sein. Es liegt immer auch ein Hauch Erkenntnis in deiner Wundbehandlung, wenn man das so nennen kann. Ein sanftes Ermahnen zur Reflexion. Mehr fühlen, in sich hinein und weniger denken. Das ginge nur, wenn man den Finger von der Wunde nehme und es auch mal so richtig ausbluten lasse, sagst du immer. Du liebst es, wenn ich schnaubend und wütend vom einen auf den anderen Fuß trete und nicht weiss, was ich dir als Antwort servieren soll. Mit Floskeln lässt du dich nämlich nicht abspeisen. Also stehst du auf diesem dunklen Ledersofa und lächelst von oben auf mich herab. Zuckersüß. Ich weiss, dass du am liebsten meine Hand nehmen und mich zu dir heraufziehen möchtest. Aber stattdessen prostest du mir zu und jeder nimmt wortlos einen großen Schluck aus dem noch viel größeren Glas. Du Wodka Tonic und ich Gin Tonic. Das knackende Eis ist neben dem bitteren Tonic die einzige Gemeinsamkeit. Dein Adamsapfel bewegt sich hastig auf und ab und in null Komma nichts ist der Wodka leer und das Eis schmilzt, weil die Luft so heiß ist. Hier und zwischen uns. Immer.

Du bewegst dich rhythmisch im Takt, das grelle Licht des Stroboskops blitzt immer wieder auf und ich sehe überall nur Hände, die in die Luft gerissen werden. Lachende Gesichter mit gläsernen Augen. Perfekte Mienen ohne Patina. Mir wird schwindlig und ich lasse mich auf das Ledersofa fallen. Mit einer bestimmten Geste schiebst du die Leute auf die Seite und setzt dich zu mir. „Na, Kleine. Alles okay?“, fragst du mich und streichst mit deiner Hand kaum spürbar über meinen Rücken. Ja, sage ich und überschlage meine Beine. Aber klein bin ich nicht, flüstere ich in dein linkes Ohr und zeige mit dem Kopf auf meine High Heels. 10 Zentimeter. Damit bin ich fast größer als du. Du lachst. So sehr, dass das ganze Sofa wackelt. Dann beugst du dich zu mir rüber und drückst mir einen Kuss auf den Hals. Genau in die Kuhle, wo der Hals in das Schlüsselbein übergeht. Sicher ist sicher. Ich bekomme eine Gänsehaut obwohl ich schwitze.

Warum ich das gemacht hätte, fragst du mich in dem Moment als der Bass kurz aussetzt. Effekthascherei. Aber du willst es wirklich wissen. Warum? Wie kann die Vergangenheit eine Rolle spielen bei etwas, das keine Zukunft hat? „Weil es den Zauber kaputt macht“, sagst du und deine Oberlippe berührt dabei ganz zufällig mein Ohrläppchen. Ich fühle mich schuldig, obwohl ich es nicht bin und sehe das Salz aus deinem imaginären Salzstreuer auf mich herab rieseln. Ich kann links abbiegen oder rechts. Ich kann auch einfach weiter geradeaus gehen. Aber wenn ich stehen bleibe, verstehst du, dann ist es so als würde ich aufhören zu atmen. Du sagst Dinge, die ich nicht hören will und im nächsten Atemzug Dinge, von denen ich nicht ahnen konnte, wie schön sie in meinen Ohren klingen würden. Also sitzen wir hier noch eine Weile zwischen wippenden Füßen und zuckenden Armen, zwischen Bass und Snare Drum und erklären uns die Welt. Eine Parallelwelt, die nur uns gehört. Wir fühlen den Beat und hören, wie das Blut durch unsere Körper rauscht. „Lass es ausbluten“, flüsterst du und legst deine Hand auf meine linke Brust.

Als ich wieder atmen kann, stehe ich draußen an eine raue Hausmauer gelehnt. Mein Hintern ist kalt und mein Herz auch. Du hast deine Arme um meine Schultern gelegt und das Licht der Straßenlaterne sticht fies in die an Dunkelheit gewohnten Augen. Alles scheint hell erleuchtet. Auch das, was man nicht sehen möchte. Es ist, als würde dieses Licht uns durchleuchten, wie Röntgenstrahlen. Und so stehen wir angezogen voreinander und sind doch nackt. Ausgeblutet. Du hauchst mir einen Kuss auf meine Lippen, der so zart ist wie deine Wimper, die ich dir von Wange streiche. Fünf Sekunden, vielleicht auch zehn. Eine Ewigkeit. Mit geschlossenen Augen wird das grelle Licht zum Sternenhimmel. Und da ist er wieder, der Zauber.

 

© Julia

Grenadine.

Prosa

Ich sitze im Schneidersitz vor dem Fenster und pule die Fusseln von meinem Wollpullover. Manche Dinge kann man ganz einfach abstreifen. Kleidung, Manieren oder eben Fusseln. Dein Geruch hingegen steckt ganz tief in meiner Nase. Ich beiße immer wieder in das Stück Zitrone in meinem Tee, obwohl mir jedes Mal die Gesichtszüge entgleisen aufgrund der Säure. Überhaupt mag ich süß viel lieber als sauer. Oder scharf. Mitohne. Immer. Du.

Wenn der Wind aus Südwest weht, drücke ich mein Ohr ganz fest auf deine linke Brust und lausche dem Konzert der Bässe. Unter all den Muskeln und Haaren schlägt tatsächlich ein Herz und wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich behaupten, dass es das nur mich tut. Für uns. Für diesen einzigen Moment Ewigkeit.

Die Jahre vergehen, aus Rosa wird Rot und alles bekommt mehr Farbe. Die Bäume mehr Ringe und die Linien um unsere Augen werden tiefer. Ich solle nicht in der Vergangenheit leben, sagen sie. Aber was ist, wenn du meine Zukunft bist? Wenn du alles bist, was dieser jämmerlichen Anhäufung von Zellen einen Sinn gibt? Nicht, weil ich mir das so ausgesucht hätte, sondern weil es so ist. Verstehst du, wie das unangenehme Stechen, wenn man zu hastig ein Getränk mit zu viel Kohlensäure trinkt. Ein kurzer, fieser Schmerz, der dir die Luft zum Atmen nimmt und sich bis in den Magen ausbreitet. Bloß Millisekunden – dann ist es vorbei. Und du wirst es immer wieder tun, weil der Mensch ja nun mal trinken muss. Und sind es nicht immer die Sekunden im Leben, die es zu dem machen, was es ist. Aneinandergereihte Entscheidungen, Zufälle – vielleicht alles ein perfider Plan? Wer weiss das schon. Hat man denn überhaupt eine Wahl? Ich hätte links abbiegen können. Dann hätte es dieses kleine Lächeln nicht gegeben. Diese zwei Sekunden, nach denen nichts mehr so ist wie es war oder sein wird. Und immer wenn ich die Liebeskarte ziehe, ist dein Antlitz darauf zu sehen – dabei führen so viele Wege nach Rom. Die staubige Landkarte liegt seit Jahren verknittert im Handschuhfach. Es fühlt sich immer noch so an, als ob die beste Zeit unsere war. Deine Hand auf meinem Knie und warmen Wind in den Haaren. Der hat sich ganz fies in den Gehirnwindungen verfangen und heute beschlägt meine Brille, weil meine Gedanken so heiß laufen.

Und dann esse ich mitten im tiefsten Winter diese ökologisch völlig inkorrekten Heidelbeeren, um wenigstens ein bisschen etwas von dem verblassten Gefühl einfangen zu können und dann schmecken sie mir nicht einmal. Weil keine Zeit für Romantik bleibt, weil du gelernt hast dem Wind zu trotzen auch wenn dir dieser verdammte Spiri-Tee sagt, du sollst auf dein Gefühl vertrauen und du es aber partout nicht finden kannst zwischen all den Splittern. Dann sitze ich mit roten Granatapfel Spritzern auf meinem weißen T-Shirt da, was eigentlich deins ist. Und stelle fest, dass es mein Herz ist, das übergelaufen ist. Keine Spuren des Liebesapfels. Ich eile auf den Balkon, weil es nur so quillt und spritzt und die Sauerei will ja auch immer keiner aufwischen. Purpurne Tropfen auf weißem Schnee. Schneewittchen. Ist die nicht an einem Apfel erstickt? Weisst du, ich vermisse dich manchmal so sehr, dass ich das Gefühl habe zu ersticken, obwohl ich keine Äpfel esse. Nicht im Winter und auch sonst nicht. Aber das Gefühl von dem warmen Wind in meinen Haaren, das werde ich nicht los. Und immer wenn der Wind aus Südwest weht, drücke ich mein Ohr ganz fest auf deine linke Brust und lausche dem Konzert der Bässe. Unter all den Muskeln und Haaren schlägt tatsächlich ein Herz und wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich behaupten, dass es das nur mich tut. Für uns. Für diesen einzigen Moment Ewigkeit.

 

© themagnoliablossom

Eiszeit.

Prosa

Weisst du, was ich mich frage? Zwischen all den Sommern und Wintern, zwischen den Schweißperlen auf der Stirn und Schneeflocken, die sich in Wimpern verfangen. Zwischen all den Whatsapp-Nachrichten und Jahrgangsweinen frage ich mich, wo sind wir geblieben? Die Erkenntnis, dass die räumliche Entfernung nicht das Geringste ist gegen die zweier Seelen, schmeckt so bittersüß wie der Schnaps aus der großen Flasche.

Wenn Dinge ungesagt bleiben und sich daraus Mauern manifestieren hinter denen sich Hirngespinste versammeln. Wenn man nebeneinander steht, aber nicht aufeinander zugehen kann. Weil man selbst immer so viel im Kopf hat und überhaupt. Beim Abwasch sehen wir den Neffen des Schwagers vom Nachbarn dritten Grades im Schnee spielen und mir wird mit einmal Mal flau, weil ich das alles nicht ertragen kann. Wie die abstruse Vorstellung, dass man sich ausschließlich von Kaviar und Champagner ernährt, nur weil man in München lebt. Die Vorurteile sitzen tief. Genauso wie ich das Idyll verurteile, weil ich es vielleicht nicht besser weiss, oder, weil es – oberflächlich betrachtet – tatsächlich so wirkt? Vielleicht liegt dem derselbe Gedanke zugrunde, der dich zu solch wahnwitzigen Vorstellungen verleitet. Es ist die Angst vor Fremdem. Und ich beginne zu verstehen, woher der Ausländerhass rührt. Wenn Eindrücke und willkürliche Interpretationen zu handfesten Meinungen werden. Reale Bilder im Kopf, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben. Wenn alle Bemühungen hinter wahllosen Hürden verloren gehen. Wenn Prioritäten gesetzt und verschoben werden und man realisiert, dass alles möglich ist, aber halt nur nicht so. Und anders auch nicht. Die Oberfläche ist immer und überall glatt, da reicht das Dorf der Stadt die Hand, noch bevor wir auf dem Blitzeis ausgerutscht sind.  Aber vielleicht sollten wir mal ein bisschen kratzen, hier und da das Eis von den Scheiben und an der Oberfläche. Vielleicht müssen wir einfach wieder reden, erzählen. Alltag teilen und über Belangloeses philosophieren. Die Brücke zurückerobern, verstehst du? Ich bin immer noch ich. Bist du immer noch du?

Ich blinzle gegen das Sonnenlicht und halte deine Hand als ich aufwache. Obwohl ich dir so nah bin, fühle ich mich fremd. In diesem Haus. In deinem Leben. Nicht weil ich es bin, oder sein möchte. Ein bisschen auch, weil jedes meiner Worte auf die Goldwaage gelegt wird. Dein persönliches Maß aller Dinge. Und ich kann straucheln, gegen den Strom schwimmen und dir den Wind aus den Segeln nehmen, aber du musst mich schon hereinlassen. Wollen. Das Kopfkino ausschalten, die Brille putzen und durch klare Scheiben blicken. Wir sitzen doch in einem Boot und wenn wir kentern, dann zusammen.

Ich blinzle gegen das Sonnenlicht und frage mich, wann ist das passiert. Zwischen all den Whatsapp-Nachrichten und den Jahrgangsweinen.

© Julia

Alter Ego

Inspiration

Alexa Karolinski hat die großartige und auch irgendwie angsteinflößende Erfindung der New Yorker Professorin Sabine Seymour in einem Kurzflim wunderschön inszeniert. Es geht um einen zunächst gewöhlich scheinenden BH, der sich im Laufe des Films zu einer Art Alter Ego entwickelt und als Stimme aus dem Off immer wieder zum Nachdenken anregt. Übrigens toll gespielt von Mark Ronsons Schwester Annabelle Dexter Jones. Was ziemlich futuristisch klingt, könnte schon bald Alltag sein, wenn es nach Sabine Seymour geht, die mit ihrem Startup SUPA.ai genau das produziert. Sprechende Kleidung. Eingewebte Sensoren als Schnittstelle zwischen Mode und Technik ermöglichen ein Sammeln wichtiger körperbezogene Messergebnisse und künstliche Intelligenz ermöglicht es, die Daten zu interpretieren. Venetzt mit anderen Faktoren können diese Ergebnisse Bewegungen und Gesten der Träger deuten und so tatsächlich zu einem Alter Ego werden.

 

Bei aller Zukunftvision und Science-Fiction-Feeling zeigt der Film vor allem etwas, was uns inbesondere in der stressigen Vorweihnachtszeit ein bisschen abhanden gekommen zu sein scheint. Achtsamkeit, für die kleinen Dinge und unser Umfeld. Anhalten. Zuhören. Weiter laufen, aber nicht davon.

Denn es ist ja so: Bei all dem Streben nach Perfektion, der Selbstoptimierung und dem ultimativen Glück verpassen wir nämlich ganz schön oft ganz schön viel, während unsere Augen auf diversen Bildschirmen kleben.

Was wäre, wenn es tatsächlich ein unsichbare Stimme gäbe, die uns tagtäglich mit unseren so herrlich festgefahrenen Marotten konfrontiert?

 

„We are disconnected in all kinds of ways and we hardly ever realize it“

 

 

 

 

Warum? I mean, why?

Kolumnen

Wir sind doch alle gebildete Menschen. Lernen schon im Kindergarten, dass es besser ist, den andern Kindern das Spielzeug nicht auf den Kopf zu hauen, man sich Brot mit Schimmel lieber nicht in den Mund stopft und, dass es in der Schule doch irgendwie cooler ist, die Hausaufgaben zu machen. Zumindest rückblickend. Kurzum. Wir sind fähig gut von schlecht zu unterscheiden. Und entscheiden uns im Zweifel für den Weg ins Licht als in Dunkle, wenn wir an der Kreuzung stehen. Oder?

Wieso ist es dann manchmal so, dass man sich ganz bewusst für etwas entscheidet, was ganz offensichtlich schlecht ist? Frauen wird ja oft nachgesagt, nein – viele behaupten das sogar von sich selbst – sie stünden auf Arschlöcher. Also, Männer, die sich wie solchen verhalten. Sich nicht melden, und wenn, dann nur dann wann es ihnen passt. Macht- und Egospielchen spielen, irgendwie nie so richtig greifbar sind und bei vielen Frauen neben Tränen oftmals eine Schneise der Verwüstung hinterlassen. Auf der Seele. Frauen, die mit einem solchen Exemplar das „Vergnügen“ hatten, sind auf ewig gebrandmarkt, sage ich. Denen ist gar nicht bewusst, was da alles kaputt geht. Also, so gesamtgesellschaftlich.

| Ich bin so gut wie du mich findest!

Mädchen und Frauen wird systematisch vermittelt, dass ihr persönlicher Wert nicht in erster Linie auf ihren eigenen Fähigkeiten, sondern auf ihrem Reiz gegenüber Männern und ihrer Beziehung zu Männern beruht. Das ist in zweierlei Hinsicht falsch. So werden aus guten Mädchen, schlechte Frauen. Und Männer bekommen das quasi so in die Wiege gelegt. Die Frage ist, was war zuerst: Huhn oder Ei. Vielleicht muss man auch mal Partei ergreifen für die Männer, die vielleicht (manchmal) so arschlochmäßig sind, weil sie selbst einmal so behandelt wurden? Von Frauen? Der sogenannten Arschloch-Frau. Die gibt´s nämlich auch. Aber bevor wir hier jetzt in allgemeines Gender-Mitleid verfallen, zurück zum Thema. Männer und Frauen, lasst euch gesagt sein. Frauen stehen nicht auf Arschlöcher. Nie. Nicht. Jeder, der was anderes behauptet, lügt. Männer wollen ja auch keine Arschloch-Frau, oder?

| I can smell him!

Das interessante ist, wenn frau – als Single wohlbemerkt –  zum Beispiel die Wahl hat zwischen einem verheirateten Mann (mit Kind, Haus, Hund – volles Programm) und einem Singlemann, der all diese Optionen für sie bereit hält, was der andere bereits mit einer anderen Frau hat. Wählt sie oft den verheirateten. Warum? Beide sind gleich nett und beide sehen gleich gut aus. Der eine hat Zukunft, der andere Vergangenheit. Warum stehen Frauen oft an dieser Kreuzung und nehmen den Weg ins Dunkle anstatt den Weg zum Glück? Hat das was mit dem Reiz des Verbotenen zu tun? Weil es ja eigentlich nicht geht und moralisch auch irgendwie verwerflich ist. Da stehen Frauen den Männern übrigens in nichts nach. Ich finde es immer wieder überraschend und erschreckend zugleich, wie gering die moralischen Ansprüche in unserem Leben geworden sind, sich oftmals nicht einmal mehr  ein schlechtes Gewissen einstellt, sondern sich beispielsweise ganz bewusst für das Fremdgehen entschieden wird. Man ganz schamlos von einem Bett ins andere hüpft  – manchmal ohne dazwischen zu duschen. Carrie fragt sich, ob Aiden Big riechen kann wenn Big Aiden in den Laken riecht. Berechtigt, oder? Warum ist das denn alles so? Sind wir wie kleine Kinder, für die etwas erst spannend wird, wenn es verboten ist? Wieso nimmt Freundin J. nicht diesen super smarten Typ, der ihr den Hof macht, sie zum Lachen bringt, immer für sie da ist, sie auffängt und loslässt – ein richtig guter ist und einer, den man gerne seinen Eltern vorstellen würde. Warum also nicht das, was offensichtlich gut ist? Anstatt dessen mehr oder weniger geheime Treffen mit dem verheirateten M., bei denen die Kinder und das Haus ganz weit weg sind und die Lippen ganz nah beisammen. Essen und Lachen auf der Dachterrasse, verstohlene Blicke voller Sehnsucht auf das, was nachts im Hotelzimmer passieren wird. Warum? Hat das wirklich etwas mit dem Reiz zu tun? Wollen wir es immer spannend und prickelnd haben, obwohl wir eigentlich sehr gerne stilles Wasser trinken? Warum tun wir uns das an – weggeschubst und hergezogen zu werden wie eine Marionette? Weil wir glauben, die Fäden selbst in der Hand zu haben? Weil wir diese hoffnungslos romantische und ziemlich naive Vorstellung haben, dass er sich doch irgendwann ändert? Weil Frauen immer gerne die eine sind, für die alles andere egal ist?

| Schlechtes Gewissen? Irgendwie uncool!

Fakt ist: Selbst wenn der besagte verheiratet Mann sich irgendwann von Frau und Kindern trennt – sofern das auch nur irgendwie geht – will man den dann? Der, der das Programm schon einmal so erlebt hat und man selbst höchstwahrscheinlich in ein paar Jahren auch ohne den Typen da sitzen wird? #onceacheateralwaysacheater? Ich weiss nicht, was ich schlimmer finde. Dass Männer so etwas machen oder, dass Frauen so etwas machen. Und ja, hier muss ich jetzt verallgemeinern. Es soll ja durchaus auch Fälle geben, bei denen das gut lief und die jeweilig neuen Partner jetzt ganz harmonisch mit allen Beteiligten zusammenleben. Aber in allen übrigen Fällen frage ich mich: Ist das der Anspruch, alles haben zu wollen und ganz offensichtlich auch zu können? Dass wir uns gar nicht mehr entscheiden müssen, ob wir den netten Typ als Freund und den verheirateten einfach mal so zum Spaß haben? Die tolle Frau als Mutter unserer Kinder und das junge Mädchen, um gegen die Midlifecrisis anzukämpfen?

| Und die Moral von der Geschichte?

Breitet sich die I-want-it-all Attitüde auf unser gesamte Leben aus? Sind wir nicht nur eine Generation, der nach diversen Uni-Abschlüssen die ganze Welt offen steht (zumindest gefühlt) und wir uns gar nicht mehr entscheiden müssen, weil wir tatsächlich alles haben können? Ist das quasi ein moralischer Freifahrtsschein? Ist Entscheidungsmüdigkeit aufgrund des Überangebots eine Entscheidungsunmündigkeit geworden? Haben wir verlernt gutes von schlechtem zu unterscheiden? Und ist das alles nur die Spitze des Eisbergs? Sind uns die schier unendlichen Optionen so zu Kopf gestiegen, dass uns durch dieses neue Selbstbewusstsein tatsächlich die Moral flöten gegangen ist? Spitzt sich das jetzt alles zu, so wie die gesamtwirtschaftliche Lage? Man kann ja alles ausreizen. Ziemlich lange. Aber irgendwann platzt die Blase. Vielleicht brauchen wir wieder ein bisschen mehr Grenzen vor dem Horizont. Ein bisschen mehr Bodenhaftung. Werte, die mehr wert sind als die Summe auf dem Girokonto. Ein bisschen mehr Spießigkeit. Und vielleicht ist das alles gar nicht so schlimm? Vielleicht ist es aber auch so, dass uns all das aufzeigen soll, dass wir Menschen gar nicht für die Monogamie geschaffen sind? Dass wir uns vielmehr einer kulturell aufoktroyierten Lebensweise unterwerfen und alle wie Motten um das Licht fliegen, obwohl das gar nicht unserer Natur entspricht? Vielleicht müssen wir in dieser Sache einfach lockerer werden? Vielleicht müssen wir uns aber auch eingestehen, dass absolute Sicherheit mit Sicherheit eine Illusion bleiben wird. Wenn wir das erst einmal verstanden haben, die Veränderung und den stetigen Wandel akzeptieren, annehmen und diesen für uns gestalten – vielleicht würden wir uns alle dann weniger wehtun. Und ganz vielleicht wäre die Welt dann tatsächlich ein kleines Stückchen besser.

 

© Julia

Bouldern. Oder zumindest Brunchen.

Kolumnen

„Na, was hast du so gemacht am Wochenende?“ Trällert der gutgelaunte Freizeitaktivist am Montagmorgen in der Büroküche ohne, dass es wirklich eine Frage ist und noch bevor ich Kaffee sagen kann. Insgeheim möchte er nämlich nur von sich erzählen. Von seinem – mal wieder – spektakulären Wochenende. Heliskiing, Kitesurfen, Bouldern (einhändig, natürlich!). In dieser Reihenfolge. Eh klar. Ich nicke bemüht anerkennend und antworte „äh, nix“ und wünschte der Kaffee würde schneller aus der Maschine laufen, um mich aus dieser beklemmenden Situation zu erlösen…

Es scheint als gäbe es heutzutage nur zwei Kategorien. Den Freizeitakitivisten und den Faulenzer. Der, der ein interessantes Leben hat und den Langweiler, der kein Leben hat. Das ganze spitzt sich zu einem regelrechten Freizeit-Battle zu. Sag mir was du in deiner Freizeit machst und ich sage dir, wer du bist. Die Freizeitgestaltung als Legitimierung, ja gar als Daseinsberechtigung. Das ist vor allem unter dem Gesichtspunkt höchst interessant, dass Fernsehen als des Deutschen liebstes Hobby gilt. Das sagt zumindest Dr. Ulrich Reinhardt, seines Zeichens Zukunftsforscher. Bei dem gegenwärtigen TV-Programm muss die Zukunft ja ganz besonders rosig aussehen.

Hobbies, das kenne ich ja nur noch aus diesen Freunschaftsbüchern aus der Grundschule. Jene gepunkteten drei Zeilen, auf die man Reiten, Inlinerfahren, Judo oder zumindest Kino oder sowas in der Art schrieb. Für manche reichte aber schon damals der Platz nicht aus. Da wurde dann äußerst kreativ mit Sternchen und  siehe Rückseite hantiert. Ja, sogar separate Zettel wurden angeheftet. Das waren genau die, die heute zum Freiluft-Heliskiing-Boulder-Event fahren. Sonntagmorgens um 7 Uhr.

Über unseren Job definieren wir uns ja schon längst nicht mehr. Viel zu einseitig und oberflächlich. Man arbeitet ja nur, um zu leben. Oder war das andersrum? Egal! Ohnehin hinfällig. Freizeit, it is! Der Freizeit-Aktivist ist (zum Glück) nicht so festgefahren, was die Aktivitäten an sich anbelangt. Eine Radtour, wandern oder zumindest aber der Besuch des neuen Brunch-Hotspots lässt er durchaus als Antwort auf seine Frage zu, ohne, dass sich seinen Augenbraue gen Himmel verzieht. Mir ist das irgendwie zu monokulturell. Deshalb genieße ich sonntags die Ruhe ganz besonders sehr, wenn alle Busybees ausgeflogen sind und lasse mir die Sonne auf den Bauch scheinen. Feuilleton, Indie, Wirtschaft, Pop, Lyrik, Gesellschaft, Hip Hop, Biografie, Krimi, Rock,  Lyrik – die Liste könnte endlos weitergehen. Dazu ein bisschen Zeit für mich, um mir Gedanken über diese Kolumne zu machen. Ha.

 

© themagnoliablossom

 

Apfel. Kern.

Prosa

Manchmal zähle ich die Karos auf meiner Bettwäsche. Einhundertdreiundsechzig. Ohne das Kissen. Ich weiss nicht, ob dabei mittlerweile Monate oder Jahre vergangen sind. Wenn ich unten angelangt bin, fange ich oben wieder an. Das Leben ist ja so. Es geht immer weiter. Irgendwie. Dieses Irgendwie hat nur noch niemand so richtig definiert. Was relativ doof ist, weil es ja genau darauf ankommt.

Durch das geöffnete Fenster weht ein eisiger Wind. Ich sauge die klare Luft förmlich in mich hinein. Als ob sie die Fähigkeit besäße, mich zu reinigen. Zu befreien. Von dem Ballast. In mir. Als ob ich all das mit einem Atemzug loswerden könnte. Ein irrer Gedanke. Alles bleibt. Und ein Stechen in der Lunge gibt´s obendrauf. Gratis.

Die Sache ist ja die, dass sich die Welt immer weiter dreht und es immer wieder eine neue Zukunft gibt. Zukunft – das ist das, was in meinem Kopf passiert während ich die Karos zähle. Es ist ein schlechter Remix deines Lieblingssongs. Der letzte Schluck Kaffee, der immer kalt ist. Und die Tatsache, dass die Bolognese das einzige ist, was aufgewärmt irgendwie besser schmeckt. Ich weiss das. Natürlich. Aber es ist der Gaumenkitzel, der süße Nachgeschmack dieser Droge namens Realitätsflucht. Es sind jene Momente oder Jahre, in denen ich Karos zähle und dem Stechen in der Lunge ein wohliges Gefühl weicht. Ein Gefühl in dem alles möglich ist. Früher haben wir immer geglaubt, uns wüchse ein Apfelbaum im Bauch, wenn wir versehentlich einen Kern verschluckt haben. Stundenlang haben wir nichts getrunken, in dem irrwitzigen Glauben, dem Sprössling damit den Garaus zu machen. Heute trinken wir tagelang, um alles aus uns heraus zu spülen und wünschen uns eine weiße Leinwand auf die wir all unsere Sehnsüchte projizieren können.

Und trunken von all den Visionen, wächst manchmal aus einem Apfelkern eben doch ein Baum.

© Julia

Pink Champagne on ice

Kolumnen

Ob euer Glas hab voll, oder halb leer ist – entscheidet selbst. Meins ist jedenfalls randvoll, pink und mit ganz viel Glitzer. So! Konfetti für alle ❤

 

pink champagner

 

© themagnoliablossom

Herz in der Hand

Kolumnen

Da stehst du nun, mit deinem Ticket für die Welt in der Hand. Einmal alles. Rückfahrt: Optional!