Abschiede.

Kolumnen

Ich falte meinen Pullover und stecke die Zahnbürste in den blauen Kulturbeutel. Zwischen dem Ankommen und Abreisen liegen nur wenige Tage. Ein Vakuum. Eine gänzlich eigene Welt, in der die Zeit irgendwie still zu stehen scheint. Oder ganz besonders schnell voranschreitet. Wie auf Watte wanke ich durch den Flur, um meine Habseligkeiten in der Reisetasche zu verstauen und wische mir den Rest Zahnpasta vom Mund. Vielleicht war das aber auch eine klitzekleine Träne.

Von Null auf Hundert. Umarmungen. Nähe. Ankommen. Zuhausesein. Nestwärme. Genießen. Zusammensein. Stunden vergehen aus denen Tage werden, die klammheimlich in Wochen übergehen. Welchen Wochentag haben wir eigentlich heute? Ich weiss es nicht und es ist schlichtweg egal. Denn solange deine blonden Haare neben mir unter der Bettdecke hervorragen, die sich so sanft im Einklang mit deinem Atem bewegt, weiss ich dass alles andere unwichtig ist.

Einen Funken Restwärme spüre ich noch jetzt, während meine Finger das eisige Lenkrad umklammern

Ich ziehe den Reisverschluss meiner Tasche zu und muss hier und da ein wenig drücken. Man hat ja immer zu viel dabei. Und überhaupt. Viel zu viel von allem. Während ich die Tasche in den Kofferraum hieve, wünsche ich mir ein bisschen mehr von diesen Prioritäten im Alltag. Ich weiss, dass ich dort wieder ankommen werde, muss und will. Denn immer nur Watte ist irgendwie auch scheisse. Man will so vieles und immer mehr davon, dabei ist es oft das Unscheinbare wie deine blonden Haare, die unter der Bettdecke hervorlugen und mein Herz mit so viel Wärme füllen. Mit diesem Gedanken drehe ich den Zündschlüssle um und starte den Motor. Abschiede mag ich nicht. Denn sind wir ehrlich, auch nach der zwölften Umarmung und dem zwanzigsten Mal umdrehen wird es nicht besser. Einen Funken Restwärme spüre ich noch jetzt, während meine Finger das eisige Lenkrad umklammern. Ich fahre los in das noch junge Jahr und verspreche mir, diesen Gedanken beizubehalten.

Denn ein Ende ist ja auch immer ein Anfang. Irgendwie.

 

Goodbye don´t mean I´m gone

 

© themagnoliablossom

Still.

Prosa

Mit dem ersten Schnee ist alles anders. Plötzlich und ohne Vorwarnung. Ein weißer Schleier legt sich schützend über die klaffende Wunde. Purpurne Tropfen auf reinem Weiß. Doch mein Körper ist nicht bereit für diese Kälte. Nicht die trockene Kälte, die zuweilen noch aushaltbar wäre, sondern diese fiese, nasse Kälte, die dir bis ins Mark zieht.

Die Armada von Kriegern, die vor ein paar Wochen noch so unaufhaltsam gekämpft hat, beugt sich der Kraft des Winters. Was vor ein paar Wochen noch laut und umtriebig war, ist nun still. In sich ruhend. Der Regen fällt prasselnd auf die Erde, doch der Schnee lautlos. Der Winter ist pur, ehrlich. Gnadenlos. Du hast den Regen nie gesehen, immer nur den Regenbogen. Aber jetzt schneit es und du bist nicht hier. Das Gras, das im Sommer ohnehin nie über die Sache wächst – der Schnee soll´s nun richten. Puderzuckerfein.

 

Doch da ist etwas, das nicht bedeckt werden möchte. Weder mit Gras noch mit Schnee und schon gar nicht im Regen ertränkt werden möchte. Da ist etwas von dir, ein Sinnbild, eine Illusion. Ein Funken einer romantisierten Vorstellung. Ich bin mir nicht sicher, ob sie diesen Winter überdauernd wird. Viele Winter hat sie schon standgehalten. Nahezu getrotzt. Gestrotzt. Vor Kraft. Immer und immer wieder. Im Sommer in den letzten Windungen des Gehirns versteckt und mit eiskaltem Bier aus dem Herzen gespült. Nur, um im Herbst wieder Einzug zu halten. Wie ein Nomade ziehst du von Ort zu Ort von Herz zu Kopf und wieder zurück. Der kühle Herbstwind stärkt dir den Rücken. Und plötzlich ist Winter und alle reden über das Wetter, aber der Winter – das bist du. Ein Gefühl, links in der Brust. Es schneit und ich atme Wolken in die eisige Nacht, die sich mit deinen vermischen. Zwei Welten unter einem Firmament. Kalter Atem aus noch kälteren Kehlen. Das Blut in den Adern gefriert. Hände, die sich nicht suchen, aber finden. Zögerlich, tastend nach Restwärme in lodernder Glut.

 

© themagnoliablossom