Löwenherz.

Prosa

Für einen Abend im Frühling ist es nicht besonders mild. Aber auch nicht besonders kalt. Irgendwas dazwischen. Der Typ hinter der Bar schiebt zwinkernd zwei Flaschen Bier über den Tresen. „Da bist du also“, sage ich und proste dir zu. Der kühle Hopfensaft rinnt wohltuend die Kehle hinab. Du lächelst und es fühlt sich nach so langer Zeit wie immer an. Als hätten diese sechs Jahre nicht stattgefunden. Einfach übersprungen. Wir reden seit Stunden über ein Leben, das nicht unseres ist. Buchstaben reihen sich aneinander und werden zu ernsthaften Worten. Erwachsen geworden sind wir. Irgendwie. Trunken und taumelnd in Erinnerungen stelle ich fest, dass dein Herz gar nicht so kalt ist wie das Bier in meiner Hand. Sag mal, können wir nicht einfach Stopp drücken und zum Anfang zurückspulen?

Du erzählst mir von diesem dunkelgrünen Jeep mit hochklappbaren Türen. Deinen Touren durch die Welt. Den Bergen und Seen. Der Sonne und dem Regen. Und ich möchte dir für immer zuhören. Deinen Geschichten lauschen von Kämpfen mit Löwen, von der Wildnis und von deinen Narben. Weil deine Stimme für immer Musik in meinen Ohren ist. Weil in deiner Brust ein Löwenherz schlägt. Ich weiss das, weil ich es schon einmal von innen gesehen habe. Rot und weich. Zerbrechlich wie ein Straußenei. Aber nachts sind alle Katzen schwarz. Du bist der Held deiner ganz persönlichen Safari und selbst Sandstürme gehen spurlos an dir vorbei, mag man meinen. Aber ich weiss es besser. Und manchmal möchte ich einfach dein Herz in die Hand nehmen und es an einen sicheren Ort tragen. Dabei bin ich das Löwenbaby, das mit einem sanften Nackenbiss in Sicherheit gebracht werden muss. Bleibst du hier, bis der Morgen graut?

Die Nächte sind immer so kurz und ein Morgen haben wir nicht. Du bist weg und ich bin hier und manchmal bin ich weg und du hier. Ich lasse eine Münze durch den schmalen Schlitz fallen und drücke den schmierigen Hörer fester an mein Ohr. Weitere fünf Minuten knackendes Rauschen, das durch gleichmäßigen Atem unterbrochen wird. Ich brauche eine Stunde um hallo zu sagen und für all die Münzen, die in meiner schweißnassen Hand kleben bekommen wir nicht einmal eine Sekunde zum Reden.

Aber wenn wir das jetzt hier nicht zusammen durchziehen, wie können wir dann leben? Können wir dann überhaupt atmen? Mit all dem Sand in der Lunge? Wir können uns nicht zurücklassen. Straußeneier haben kein Verfallsdatum. Weisst du, ich war in so vielen Zoos und habe sämtliche Tierarten auf verschiednen Kontinenten beobachtet nur um festzustellen, dass Löwen meine Lieblingstiere sind.

Und nun brennt die Sonne klar und heiß in mein Gesicht, dass der Schweiss nur so rennt und ich zwischen all der Hitze nicht merke, dass es Tränen sind, die im sandigen Boden verpuffen. Bevor hier Herzen in Flammen aufgehen – lass uns mit deinem Jeep in die Wüste fahren und den Sand alles ersticken bevor wir Fata Morgana sagen können.

Und wenn ich dich noch einmal umarmen könnte – mit Haut und Löwenhaar – ich würde dich nicht mehr loslassen. Das ist ein Versprechen. Weil ich nicht mehr ohne dich sein kann. Du bist die Safari meines Lebens.

 

© Julia

Lieblingsschuhe – oder die Sache mit dem Wok.

Kolumnen

Katertage sind eklig. Nicht nur, weil du morgens das Gefühl hast in der Wüste Gobi  aufzuwachen, sondern weil sich dein Herz mindestens genauso trocken anfühlt. Staubig. Schrumpelig. Nach einer Oase lechzend. Eben erst, gerade mal vor ein paar Stunden fühltest du dich wie Superman und Batman auf dem Bug der Titanic – mit Krönchen. Alles möglich. Alles nur einen Fingerschnipp entfernt. Man. Muss. Es. Nur. Tun.

Und nun stechen die durch den Vorhang fallenden Sonnenstrahlen ganz fies in deine Augen. Das Ohr schmerzt, weil man die halbe Nacht abgeknickt drauf gelegen ist. Aua. Während wieder Blut durch die diversen Körperteile fließt kehrt auch Stück für Stück Realität ein. Das Superman-Kostüm ist ein verdrecktes T-Shirt, das verloren auf dem Fußboden herumliegt, die Titanic ein kleines Plastikboot in der Badewanne. Der große Traum – ein Glas kühles Wasser. Kurzum. Emotional eher labil.

Der gute Ton.

Ich mache immer wieder den Fehler, an solchen Tagen mein Facebook zu checken und Facebook macht den Fehler, immer genau an diesen Tagen spezielle Posts für mich auszuwählen, die wohl besonders sehenswert sind (Danke, Mark!). Steffi und Lars haben sich verlobt. Inga und Peter haben endlich das Grundstück und bauen ihr Haus. Laura postet ein Foto, auf dem sie sich liebevoll die Hand auf den Bauch legt #mommytobe. Das sind eigentlich sehr schön Dinge. Und man könnte sich auch für Laura, Steffi, Peter und Lars freuen. Das tue ich auch. Weil: Sie haben das, was sich alle wünschen. Oder? Jeder will doch einen Partner, ein Haus und ein Kind. Das gehört halt zum guten Ton. Weiss ja jeder. Manchmal frage ich mich, ob ich mir das nicht auch besser wünschen sollte?

Wie war das mit dem Heiligenschein?

Böse Zungen unterstellen hier ja gerne Neid. Vielleicht ist da auch was dran. Aber man muss auch gönnen können. Manchmal finde ich es nur so erschreckend, oder bemerkenswert  – ich weiss es nicht genau – das eben jene Menschen vor ein paar Jahren, ach was Monaten neben mir in der Wüste aufgewacht sind. Die Nacht war der bessere Tag und getrunken wurde auf die Freiheit. Und plötzlich ist alles anders. Das geht so schnell, dass ich darauf eigentlich erst mal ein Konterbier trinken müsste. Oder besser gleich ´nen Schnaps. Ist es wirklich so, wie M. sagt? Dass Menschen, vorrangig die des männlichen Geschlechts, einfach irgendwann das Licht anschalten und entscheiden „Today is the day!“ – und die Frau, die sich den Typ mit dem Heiligenschein überm Kopf heranwinkt, bekommt ihn“. Spiel. Satz. Sieg. Hochzeit. Haus. Kind. Nichts mit Romantik. Nichts mit Schicksal und Stories á la er hat mir schon im Kindergarten Liebesbriefe geschrieben. Ist das alles? Eine einfache, bloße Entscheidung „ja, jetzt wird´s Zeit mit dem Kram“ und dann kommt der Kram? Eine Art self fulfilling prophecy?

Ich habe mich auch schon öfters für diese Dinge entschieden. Mich drauf eingelassen. Weil man das, im Zeitalter der Selbstoptimierung und der angeblichen Beziehungsunfähigkeit so tun soll. Mehr Mut und so. Ich habe all das gemacht. Gehofft und gebangt. Aber der Schuh hat irgendwie immer ein bisschen gedrückt. Klar, der war neu und musste erst eingelaufen werden. Aber selbst nach etlichen Kilometern war da noch diese kleine, fiese Druckstelle.

Voll romantisch, ey!

Ja, ich beneide Menschen, bei denen das einfach so klappt. Die gestern noch im Club das Licht angemacht haben und heute Familienväter sind. Nicht weil ich es ihnen nicht gönne, sondern weil diese Personen augenscheinlich das Richtige gefunden haben. Vielleicht sind wir alle gar nicht wirklich beziehungsunfähig und auch gar nicht so egoistisch, wie gerne von uns behauptet wird. Vielleicht sind wir sehr viel sensibler und feinfühliger. Stecken Grenzen klar ab und spüren intuitiv, wenn etwas nicht richtig passt? Wir haben eine unglaublich romantisierte Vorstellung von der Liebe, die wir hinter gespielter Gleichgültigkeit verbergen. Ich glaube, dass wir alle sehr viel verletzlicher sind, als wir vorgeben zu sein. Und vielleicht sind wir gar nicht alle Woks, sondern müssen unseren Deckel einfach nur noch finden. Oder gefunden werden. Oder wie auch immer. Vielleicht doch Zufall?

Let it grow!

Vielleicht aber geht unsere romantisierte Vorstellung sogar so weit, dass wir womöglich schon einen perfekten Gegenspieler gefunden haben. Tief im Herzen verankert. Mit Wurzeln. Dieser aber nicht mehr im Leben – also im echten, nicht das im Kopf – präsent ist, weil man jung war und das Geld brauchte oder einfach aus Gründen. Man kann zwar die Triebe jedes Jahr im Herbst zurückschneiden, aber die Wurzeln bleiben einfach da und treiben jedes Jahr auf´s Neue aus, bis man sie endlich umtopft und wachsen lässt. Oder, die Person tummelt sich bereits in unserem Umfeld, wir wissen aber noch nicht, dass diese Person das perfekte Pendant ist. Wie der Biss in ein Stück unreifes Obst. Zu früh. Zu sauer. Falsches Timing. Whatever.

Eine bewusste Entscheidung kann jedenfalls nicht dazu führen, dass man glücklich wird. Zumindest nicht langfristig. Dafür ist die Liebe viel zu vielschichtig, als dass sie sich durch solch einen Vernuftsschritt austricksen ließe. Vielleicht suchen wir uns – unterbewusst – immer wieder die vermeintlich falschen Partner aus. Die zu alten, zu jungen, die zu vergebenen und zu verkorksten. Nicht, weil wir masochistisch veranlagt sind, sondern weil wir intuitiv spüren, dass es einen Deckel gibt. Keinen besseren, aber einen, der genau auf den Topf passt. Wie das Paar Lieblingsschuhe, ganz hinten im Schrank.

 

© themagnoliablossom

Halb. Mond.

Prosa

Du legst deinen Kopf leicht schief und schaust mich über den Rand deiner aufgeschlagenen Zeitung an. Ich sehe von meiner Seite des Tisches nur eine hochgezogene Augenbraue. „Reichst du mir mal die Marmelade, bitte?“, sagst du, ohne den Blick von den gedruckten Buchstaben abzuwenden. Ich lecke mir den Rest Milchschaum von den Lippen und lasse meinen Blick schweifen. Vorbei an der Zeitung, die ich nur als Buchstabensalat wahrnehme. Schwarz und weiss. Dein nackter Oberkörper, mit all der Farbe und noch mehr Buchstaben durchbricht das Grau. Deine Füße stecken in dicken Wollsocken – schließlich ist es Winter. All das. So schön. Hier und jetzt. Während ich den Gummibund deiner dunkelblauen Boxershort betrachte, reisst mich ein Rascheln aus meinen Gedanken, die so kitschig sind, dass mir übel wird. Du hast die Zeitung auf den Tisch gelegt und dabei hat sich eine Strähne aus deinen zum Dutt frisierten Haaren gelöst. „Halloooo, die Marmelaaaadeee, Madame! Träumst du?“. Ich greife nach dem Marmeladenglas und laufe auf deine Seite des Tisches. „Ja, von dir“, höre ich mich sagen während ich dir Croissant-Krümel von der Oberlippe streiche.

 

 

© Julia