Wachsweich.

Lyrik

Weisst du was? Ich denke ganz schön oft an dich. Was heisst bei dir denn schon oft, würdest du sagen und mit den Augen rollen. Da bin ich mir ziemlich sicher. Sehr sogar. Ich würde nicken und sagen viel zu oft. Mit Weinen ist das ja häufig so, dass sie nur im Urlaub besonders gut schmecken. Kauft man sich eines der Fläschchen für Zuhause schmeckt der Rebensaft – dort angekommen – nicht mehr nach Sommer, nach Lavendel oder nach Sand unter den Füßen. Und schon gar nicht nach grenzenloser Freiheit. Das Kribbeln im Bauch ist irgendwie auch weg und der Rotwein hinterlässt nichts als blaue Zähne und einen pelzigen Geschmack auf der Zunge. Weisst du, die Sache ist die, dass mir dieser Rotwein immer noch ziemlich gut schmeckt – obwohl ich eigentlich keinen Rotwein trinke. Ich mag nämlich lieber Weißen. Wegen der goldenen Farbe, wenn man das Glas in die Sonne hält und den Zähnen. Auch wenn das alles irgendwie so gar nicht passt, trinke ich diesen Rotwein und denke an dich.

An deinen bemalten Oberkörper und deine Sommersprossen. Wie du Eier in der Pfanne brätst, obwohl du viel lieber Frühstückseier magst. Wachsweich. Wenn die Sonne schräg durch das Küchenfenster fällt und sich eine Strähne aus deinem Dutt herausgelöst hat. Deine Haut in dem zarten Morgenlicht so warm und weich aussieht, dass ich sofort von meinem Stuhl aufstehen möchte und sie berühren. Mit meinem Finger über deine zarten Lippen fahren und kichern, weil dein Bart etwas kratzt. Stattdessen ziehe ich meinen Bademantel etwas fester um meine Hüften und schaue dich an. Wie du da stehst in dieser weiten Hose und ohne Hemd. Das tust du immer. Und dann streust du etwas Salz gekonnt mit Zeigefinger und Daumen über die Eier. Während ich hier so sitze und dich beobachte, stumm lächelnd und irgendwie zufrieden, tanzen die Staubkörnchen in dem diffusen Sonnenlicht zum Beat deiner Lieblingsplatte. Und dann, ganz plötzlich verfängt sich eines dieser Staubkörner unter der Nadel und die Platte kratzt.

 

© Julia

Lichtermeer.

Prosa

Mit einem Schwung setzte sie sich auf die Fensterbank. Sie trug nichts als ihre Unterwäsche und diese bezaubernde Lächeln. „Na, los“, sagte sie, „komm“. Verschwörerisch beugte sie sich leicht nach vorne und dabei löste sich eine Strähne aus ihrem perfekt unperfekten Dutt. „Los, komm schon her“. Sie lachte. Es war ein Lachen, das vom Ohr direkt ins Herz wanderte. Mit einem klitzekleinen Umweg über den Kopf – nur, um dort alles durcheinander zu bringen. Es war ihr kristallklares Lachen, dass ihn direkt ins Mark traf, sein Herz zum Pochen brachte und ihm gleichzeitig die Luft zum Atmen nahm. Er war verliebt. Ist es noch immer. So viel steht fest. Bedauerlicherweise ergab sich bisher noch nicht der richtige Moment, um ihr das zu sagen. So ist er. Ein wahrer Perfektionist. Er hatte sich alles haarklein ausgemalt – wie es sein würde, welches Hemd er trüge und welche S-Bahn die günstigste wäre, um auf dem Hinweg noch einen Brief zur Post zu bringen. Stundenlang hatte er an dem perfekten ersten Satz gefeilt. Ein Satz, der ihrer Vollkommenheit gerecht würde. Aber bisher war es einfach noch nicht soweit. Diese Warterei trieb ihn schier in den Wahnsinn und mit jedem Treffen schmerzte ihn sein Herz mehr. Er wusste was sie tat, wenn er nicht bei ihr war. Wenn er sie nicht hatte beschützen können. Vor sich selbst. Und überhaupt. Er hätte es sich eigentlich von vorne herein denken können. So eine Frau. Mit ihm. Das war utopisch. Sie mit ihrer überirdischen Schönheit. Und er, der kleine Architekt, der seit Jahren die schlechtbezahlte Stelle bei dem Versogungsunternehmen inne hat. Aber er hat Träume. Große sogar. Und Pläne. Das ist schließlich sein Job. Und weil er wusste, wie sehr sie das Meer liebte, hat er für sie ein Strandhaus entworfen. Es trägt ihren Namen. Das hatte er einmal in einem Kriminalfilm gesehen, dass im Süden die Häuser immer Namen tragen. Casa Isabel. Oder Auberge Chez Marie. Nur für sie beide. Und drei Kinder. Vielleicht auch vier. Irgendwann würde er ihr all die Entwürfe zeigen. Bald.

Er hätte es sich denken können, dass sie all das früher oder später mit ihren zarten Füßen treten würde. Aber er wollte es nicht hören. Er wollte die Blicke der Leute nicht sehen, die Augenpaare, die förmlich in seinen Rücken stachen. Für ihn gibt es nur sie beide. Jetzt und immer. Seine Welt ist nun einmal so ausgelegt. „Hallo, träumst du oder was?“. Ihre Stimme reißt ihn jäh aus seinen Gedanken. Er blinzelt und ist sich nicht sicher, ob das an dem Neonlicht, welches vom Hotel gegenüber schräg an ihrer Silhouette vorbei ins Zimmer dring, liegt oder an ihrer Schönheit. Er schiebt das weiße Laken zur Seite und fährt sich schlaftrunken durch die Haare. Der Ausblick aus diesem Hotelzimmer ist atemberaubend. Siebter Stock. Lange hatte er recherchiert, ehe er ihr die gemeinsame Reise vorschlug und war sehr erleichtert, dass sie sofort ja sagte. Und jetzt sitzt sie hier auf dieser Fensterbank mit nichts als ihrer Unterwäsche und ihrem bezaubernden Lächeln. Perfekter hätte es für ihn nicht sein können. Er geht zwei Schritte auf sie zu und spürte den warmen Wind, der durch das geöffnete Fenster ins Zimmer drang. Dahinter die Stadt. Ein Lichtermeer. Tausend winzige Punkte verschwimmen zu einem einzigen hellen Teppich. Er würde sie tragen. Beide. Er legt seine Hand in ihren Nacken und küsst sie. Er dachte an das Haus am Strand, seinen Chef und all die Leute. Er hatte das nicht gewollt. So nicht. Und vielleicht war es auch einfach nur der Wind. Aber in diesem Moment rutschte sie von der Kante der Fensterbank. Und sie flog. Hinein in das Meer aus tausend Lichtern.

 

© Julia

Halb. Mond.

Prosa

Du legst deinen Kopf leicht schief und schaust mich über den Rand deiner aufgeschlagenen Zeitung an. Ich sehe von meiner Seite des Tisches nur eine hochgezogene Augenbraue. „Reichst du mir mal die Marmelade, bitte?“, sagst du, ohne den Blick von den gedruckten Buchstaben abzuwenden. Ich lecke mir den Rest Milchschaum von den Lippen und lasse meinen Blick schweifen. Vorbei an der Zeitung, die ich nur als Buchstabensalat wahrnehme. Schwarz und weiss. Dein nackter Oberkörper, mit all der Farbe und noch mehr Buchstaben durchbricht das Grau. Deine Füße stecken in dicken Wollsocken – schließlich ist es Winter. All das. So schön. Hier und jetzt. Während ich den Gummibund deiner dunkelblauen Boxershort betrachte, reisst mich ein Rascheln aus meinen Gedanken, die so kitschig sind, dass mir übel wird. Du hast die Zeitung auf den Tisch gelegt und dabei hat sich eine Strähne aus deinen zum Dutt frisierten Haaren gelöst. „Halloooo, die Marmelaaaadeee, Madame! Träumst du?“. Ich greife nach dem Marmeladenglas und laufe auf deine Seite des Tisches. „Ja, von dir“, höre ich mich sagen während ich dir Croissant-Krümel von der Oberlippe streiche.

 

 

© Julia