Herz in der Hand

Kolumnen

Da stehst du nun, mit deinem Ticket für die Welt in der Hand. Einmal alles. Rückfahrt: Optional!

Du hast studiert, bist top ausgebildet, kannst alles und weisst doch irgendwie nichts. Darfst alles, bist frei und traust dich ja doch nichts. Musst Entscheidungen treffen, obwohl du dich nicht entscheiden kannst. Denn eine klitzekleine Entscheidung kann so weitreichende Folgen haben und mit den Konsequenzen musst du ja dann auch erstmal klarkommen. Ich frage mich oft „was wäre, wenn…“. Was wäre, wenn ich einfach anders entscheide – fügt sich dann trotzdem nahtlos ein Puzzleteil in das andere? Oder ergibt es ein völlig falsches Bild? Oder wird es gerade dadurch erst richtig? Muss man zwischen den Zeilen lesen, um die Zeichen zu deuten? Und woher weisst du, was zwischen den Zeilen ist?

Du stehst an einer Kreuzung, an der sich 5 Wege gabeln. Alle können richtig sein, aber eine Entscheidung kann alles ändern. Und dir wird bewusst, dass das was war, nicht mehr wieder kommt und die Welt sich trotzdem weiter dreht. Du denkst an vergangene Zeiten und an ein Damals, das so nah ist, dass du es fast berühren kannst und dennoch nicht greifen – selbst wenn du auf Zehenspitzen stehst. Die Zeit gleitet durch deine Finger wie feiner Sand, weil so viel passiert, wenn man sich immer im Kreis dreht und, weil man ohne Flügel einfach nicht abheben kann. Und das Leben dich immer wieder in seinen Strudel zieht, durchkaut und bei Zeiten auch einfach mal wieder auskotzt. Wenn nach jedem Höhenflug der Aufprall auf den Boden der Tatsachen so unfassbar hart ist. Du es aber trotzdem nicht lassen kann, Dinge zu tun, von denen du eigentlich weisst, dass sie nicht gut sind für dich. Dinge, die Wunden aufreißen und Narben hinterlassen. Aber ist nicht genau das das Leben? Lernt man nicht dadurch erst das Fliegen?


If you never shoot, you´ll never know. And if you never eat, you´ll never grow.


 

Es kann nicht immer nur nach oben gehen. Es muss auch runter gehen. Und wenn ich an das Kribbeln im Bauch denke, an der Klippe, kurz bevor die Achterbahn mit rasender Geschwindigkeit in die Tiefe rauscht – finde ich das gar nicht mal so übel. Und scheinbar aus dem Nichts materialisiert sich eine Wolke aus Vertrauen und Hoffnung, die dich auffängt, weil du ja ohne deine Flügel nicht allein fliegen kannst. Dennoch musst du diesen verdammten Weg alleine gehen. Diesen endloslangen, dreckigen, herzzerreißenden, dunklen, grandiosen, traurigen, strahlenden, fabelhaften, einsamen, wunderschönen Weg. Niemand kann dein Herz tragen außer du selbst und ist das nicht das Traurigste und Wunderbarste zugleich?

Ja, und manchmal habe ich Angst. Vor dem was kommt und was war. Und allen Ängsten zum Trotz. Müssen wir nicht manchmal genau da hin, wo es weh tut? Ist die Sonne nicht so viel schöner, wenn es davor geregnet hat? Spüren wir das Leben nicht intensiver nach einem Gang durch ein dunkles Tal? Vielleicht müssen wir einmal um die ganze Welt reisen, um anzukommen. Irgendwo.

Denn nachts ist der Himmel überall schwarz und das musst du erstmal aushalten.

Nun stehe ich hier mit meinem Herz in der Hand und es ist alles, was ich habe. Und ich laufe einfach los. Ich weiss nicht, wohin er führt, mein Weg. Aber ich werde es wissen, wenn ich dort bin. Dort, wo es hell und dunkel zugleich ist und es im Bauch so sehr kribbelt, dass es dem Kopf ganz schwindlig wird.

 

© themagnoliablossom

 

8 Gedanken zu “Herz in der Hand

  1. Wow! Super geschrieben. Ein Vogel weiss tief in seinem Innersten, dass er fliegen kann, auch wenn er es zuvor noch nie getan hat.
    Und der Wind trägt ihn, da gibt es keinen falschen Weg. Flügel ausbreiten – abstossen und los gehts!

    Gefällt 1 Person

Hinterlasse einen Kommentar